„9. Februar 2012 um 1:0
Facebookiges:
Wenn ich darüber nachdenke, einige meiner Facebook-Freunde zu löschen, zögere ich bei einigen Fällen. Es folgen Beispiele:
Ein albernes Mädchen, dessen gesamte Facebook-Aktivität sich auf Horoskope und Bilder mit Herzchen beschränkt / das aber dafür sehr hübsch ist.
Ein regimetreues Mädchen / das aber dafür Bilder von sich im Bikini postet.
Ein Freund, der mir mit seinen ständigen Mahmud-Darwisch-Zitaten wahnsinnig auf die Nerven geht / der mir aber dafür regelmäßig Likes gibt.
Freunde, die sich überhaupt nicht für mich interessieren (Dichter, Autoren, Journalisten, Künstler etc.) / die aber einfach fette Kontakte sind.
Freunde, die über keine einzige positive oder zumindest zu mir passende Eigenschaft verfügen, und für die einfach gar nichts spricht / mit denen meine Facebook-Freundschaft aber obligatorisch ist, so dass es außerhalb meiner Entscheidungsmacht steht, sie zu löschen.
Zum Beispiel habe ich einmal meinen Cousin gelöscht. Daraufhin kam seine Mutter und hat sich bei meiner Mutter beschwert und dann den Kontakt abgebrochen. Es hätte beinahe einen Bürgerkrieg gegeben.
124 Likes“ – Auszug aus: Aboud Saeed. „Der klügste Mensch im Facebook.“
Ein Buch, dass mich schon während der ersten 34 Seiten / nach 5 Minuten Lesezeit in seinen Bann zieht.
Ich erinnere mich wieder, wie ich vor 4-5 Jahren, als ich angefangen habe mich mit Digital Publishing zu beschäftigen eines der ersten Webcomic Projekte das +über meinen Bildschirm geflimmert ist: „Zarah’s Paradise“ war: Seitdem ist mir klar: „Yes, the revolution will be tweeted.“ Ein Interview mit Amir Soltani (Autor von Zarah’s Paradise) und Khalil (Illustrator) findet ihr auf: http://www.jadaliyya.com/pages/index/2607/zahras-paradise_an-interview-with-amir-and-khalil
Die vielbeschworene globale Öffentlichkeit existiert, wir nehmen aus unseren sicheren Zimmer in Neukölln oder Wilhelmsburg Anteil am Geschehen im Iran, in Syrien, auf dem Tahir, dem Gezi Park, dem Puerta del Sol, dem Maidan.
Ein Foto, das ich auf einer Euro-Maidan Solidaritätsdemonstration auf dem Puerta del Sol vor ca. zwei Wochen gemacht habe, macht für mich noch einmal greifbar, dass diese Plätze nicht im digitalen Diskurs, sondern auch im realen Leben verbunden sind.
Die enorme Kraft mit der Jugendliche den politischen Konflikten dieser Welt ihr eigenes Leben abringen, ist mir schon seit der Lektüre des Buches „Spunk“ klar. Vage erinnere ich mich an einen Satz von dem Autor Gabriel S. Moses auf der #lbm12: „In Israel, wo jeder kleinste Moment des Lebens so vollgesogen ist mit Politik, da bedeutet Punk sein, radikal unpolitisch zum sein. Wenn ich versuche, dass einer Punkerin in Deutschland zu erklären, treffe ich auf absolutes Unverständnis“ (Eine Rezension der Graphic Novel „Spunk“ – über den Selbstmord eines Emo-Mädchens in der Jüdischen Allgemeinen: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/7061)
Auf Twitter gerinnt unser Leben gerinnt in Sekundenbruchtteil zu Geschichte, jeden Tag kann ich mich dort in den Stream of Consciounsess vieler vieler Menschen auf der Welt einklinken kann,
doch die Anzahl der Menschen, die in ihren Tweets Sprachgenauigkeit und Sprachwitz und einen präzisen Rundblickblick auf das Geschehen, und die Antennen für die Social Signicance ihrer Sprechakte haben scheint noch gering zu sein. Um so dankbarer bin ich für Autoren wie Aboud Saeed.
Um dem Buch einen größeren Kontext zu geben, lese ich parallel dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerkrieg_in_Syrien. Oder zumindest würde ich es gerne, aber neben diesem Text ist einfach kognitiv kein Platz für einen Second Screen. Also schön nacheinander. Fuck Multi-Tasking. Slow Life. YOLO – oder wie mein Yoga-Lehrer immer sagt: Atmen!
„24. Februar 2012 um 21:54
Die Minze in meinem Tee ist wichtiger als das Pokémon auf deiner Unterhose.
24 Likes“ – Auszug aus: Aboud Saeed. „Der klügste Mensch im Facebook.“
Wenn ich in der Presse lese, dass es Schüler gibt, die nach dem Abitur ihre Koffer packen und nach Syrien fliegen, um dort am Bürgerkrieg teilzunehmen (http://www.zeit.de/politik/2013-05/extremismus-dschihad-syrien-schueler-lamya-kaddor), dann stelle ich mir bestürzt die Frage: „Und das einzige, was ich, der sich dessen bewusst wird tue ist, ist vor meinem Laptop zu sitzen und e-Books zu rezensieren?“
Für dieses Dilemma weiß ich nur einen Ausweg, ich flüchte mich aus dem Digitalen ans Papier:
„Wenn es das Absurde gibt, dann nur im Universum des Menschen. Sobald dieser Begriff sich in ein Sprungbrett zur Ewigkeit verwandelt, ist er nicht mehr mit der menschlichen Hellsichtigkeit verbunden. Dann ist das Absurde nicht mehr die Evidenz, die der Mensch feststellt, ohne in sie einzuwilligen. Der Kampf ist dann vermieden. Der Mensch integriert das Absurde und läßt damit sein eigentliches Wesen verschwinden, das Gegensatz, Zerrissenheit und Entzweiung ist. Dieser Sprung ist ein Ausweichen.“ – Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004, S. 50f.
P.S. Wo hab ich dieses großartige Buch eigentlich her? Mein neuer Lieblingsbuchladen (Seit Cory Doctorow ist es ja en vogue am Kapitelanfang jeweils seine Lieblingsbuchhandlungen zu zitieren) ist die schnuckelige e-Book Boutique https://minimore.de
★★★★★ von 5 für Aboud Saeed – Der klügste Mensch auf Facebook
★★★★ von 5 für minimore.de