Social Media im Buchhandel – Im Gespräch mit John Cohen

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So, zwei Rezensionen sind dann aber auch genug. Heute probiere ich mich mal an der Textsorte Interview:

Dazu war ich in einer kleinen Buchhandlung auf St.Pauli mit Gespräch mit dem Buchhändler John Cohen (cohen+dobernigg)

Das Thema über das wir gesprochen haben, war Social Media und seine Einsatzmöglichkeiten im Buchhandel:

 

* Welche Social-Media Kanäle nutzen sie für Ihre Buchhandlung?

Hauptsächlich unsere Facebook-Seite und natürlich unseren E-Mail-Verteiler.

Welche Art von Informationen teilen Sie dort mit Ihren Kunden?

 Auf unserer FB-Seite finden sich unsere Veranstaltungen in den Buchhandlung, wie z.B. Verlagsevents oder Lesungen und monatlich empfehlen wir fünf besondere Bücher in der Aktion: Perlen des Monats.

Außerdem machen wir gerne sichtbar was gerade an besonderen Ereignissen oder Aktionen im Laden los ist. z.B. unseren Büchertisch zum #indiebookday:

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Manchmal finden wir auch mal Branchennews oder eine Rezension so spannend, dass wir sie teilen. Der Fokus liegt aber ganz klar auf dem, was hier im Laden stattfindet und unseren Büchern.

 

 *Über welche Kanäle erhalten Sie Kundenfeedback und  wie gehen Sie mit positiven wie negativem Feedback um?

 Das positive Feedback unserer Kunden lesen wir natürlich immer gerne, wenn es ein Post ist, wo es klar ist, der Kunde möchte eine Antwort, bekommt der Kunde die natürlich. Negatives Feedback kam bisher nicht vor, – für den Fall, dass – gehen wir damit natürlich genauso professionell und freundlich um, wie wenn der Kunde bei uns in der Buchhandlung steht.

Allerdings hat für uns das Geschehen im Laden Vorrang und wir sind deshalb nicht den ganzen Tag ohne Pause auf Facebook.

Neben dem Bücher verkaufen ist die Kernkompetenz des Buchhändlers die Buchempfehlung und die direkte Beratung des Kunden. Empfehlen Sie Bücher über Social Media? Nutzen Sie diese Medien zur individuellen Beratung?

Unsere Stammkunden, die wir schon länger kennen, fragen öfter mal eine Beratung per Mail nach. Eine Empfehlungsanfrage per Facebook hat uns bisher noch nicht erreicht.

Natürlich bekommt jeder Kunde, egal auf welchem Kanal die Buchempfehlung eingeht eine Antwort. Eine Beratung im Laden hat natürlich Vorteile, man kann gemeinsam in den Regalen stöbern und beim Anfassen und Betrachten der Bücher bekommt man nochmal ganz andere Impulse.

Dass wir Social Media Profile als Beratungsinstrument nutzen ist aus Kundenperspektive aus Datenschutzgründen u.a wahrscheinlich auch gar nicht gewünscht.

*  Sind sie beruflich oder privat in Buchempfehlungscommunitys wie lovelybooks oder goodreads aktiv?

 Nö. Lovelybooks habe ich 2-3 mal ausprobiert, um mir einen Einblick zu verschaffen. Allerdings finden sich dort Menschen aus ganz Deutschland mit sehr unterschiedlichen Buchinteressen. Um Kunden zu generieren, ist es für uns aber nicht die richtige Plattform.

Eine andere Form der Buchempfehlung sind Rezensionen. Veröffentlichen Sie Rezensionen auf ihren Social Media Plattformen?

 In der Regel veröffentlichen wir als Buchhändler keine Rezensionen, wenn ein Buch uns ganz besonders gut gefällt, mag ich das aber auch nicht ausschließen.

Was halten Sie von Displays im Verkaufsraum, wann steht hinter ihrem Tresen die erste Twitter Wall?

 Wird nicht passieren. Nicht aus einer kulturpessimistischen Position, sondern weil wir uns bewusst sind, was unsere Stärken und die Bedürfnisse unserer Kunden sind. In einer informationsüberfluteten Zeit bieten wir unserem Kunden mit unserer Buchhandlung einen ruhigen Ort, an dem man ohne Bedenken auch mal offline gehen kann und sich ganz auf sich und seine Bücher konzentrieren kann. Deshalb gibt es bei uns z.B. auch keine Werbeplakate.

Bei uns sprechen die Bücher für sich!

 

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cohen+dobernigg ist eine kleine Buchhandlung für besondere Bücher auf St. Pauli.

Dort findet man neben bekannten Standards gedruckte Delikatessen, die in der Flut der lieferbaren Bücher leider oft untergehen. Besondere Schwerpunkte sind hierbei die erzählende Literatur und alle Aspekte des kulturellen Lebens wie Film, Theater, Popkultur, Design, Photographie, Mode, Denken u.a.

Alles weitere gibts Online unter: http://www.codobuch.de oder auf der Facebook-Seite

Der klügste Mensch auf Facebook – Über Rezensionen, Revolutionen und Twitter

cover-02-saeed-692x1039-fertig9. Februar 2012 um 1:0
Facebookiges:
Wenn ich darüber nachdenke, einige meiner Facebook-Freunde zu löschen, zögere ich bei einigen Fällen. Es folgen Beispiele:
Ein albernes Mädchen, dessen gesamte Facebook-Aktivität sich auf Horoskope und Bilder mit Herzchen beschränkt / das aber dafür sehr hübsch ist.
Ein regimetreues Mädchen / das aber dafür Bilder von sich im Bikini postet.
Ein Freund, der mir mit seinen ständigen Mahmud-Darwisch-Zitaten wahnsinnig auf die Nerven geht / der mir aber dafür regelmäßig Likes gibt.
Freunde, die sich überhaupt nicht für mich interessieren (Dichter, Autoren, Journalisten, Künstler etc.) / die aber einfach fette Kontakte sind.
Freunde, die über keine einzige positive oder zumindest zu mir passende Eigenschaft verfügen, und für die einfach gar nichts spricht / mit denen meine Facebook-Freundschaft aber obligatorisch ist, so dass es außerhalb meiner Entscheidungsmacht steht, sie zu löschen.
Zum Beispiel habe ich einmal meinen Cousin gelöscht. Daraufhin kam seine Mutter und hat sich bei meiner Mutter beschwert und dann den Kontakt abgebrochen. Es hätte beinahe einen Bürgerkrieg gegeben.
124 Likes“ – Auszug aus: Aboud Saeed. „Der klügste Mensch im Facebook.“

knesebeck-zahras-paradise-1800 Ein Buch, dass mich schon während der ersten 34 Seiten / nach 5 Minuten Lesezeit in seinen Bann zieht.
Ich erinnere mich wieder, wie ich vor 4-5 Jahren, als ich angefangen habe mich mit Digital Publishing zu beschäftigen eines der ersten Webcomic Projekte das +über meinen Bildschirm geflimmert ist: „Zarah’s Paradise“ war: Seitdem ist mir klar: „Yes, the revolution will be tweeted.“ Ein Interview mit Amir Soltani (Autor von Zarah’s Paradise) und Khalil (Illustrator) findet ihr auf: http://www.jadaliyya.com/pages/index/2607/zahras-paradise_an-interview-with-amir-and-khalil

Die vielbeschworene globale Öffentlichkeit existiert, wir nehmen aus unseren sicheren Zimmer in Neukölln oder Wilhelmsburg Anteil am Geschehen im Iran, in Syrien, auf dem Tahir, dem Gezi Park, dem Puerta del Sol, dem Maidan.

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 Ein Foto, das ich auf einer Euro-Maidan Solidaritätsdemonstration auf dem Puerta del Sol vor ca. zwei Wochen gemacht habe, macht für mich noch einmal greifbar, dass diese Plätze nicht im digitalen Diskurs, sondern auch im realen Leben verbunden sind.

Die enorme Kraft mit der Jugendliche den politischen Konflikten dieser Welt ihr eigenes Leben abringen, ist mir schon seit der Lektüre  des Buches „Spunk“ klar.  Vage erinnere ich mich an einen Satz von dem Autor Gabriel S. Moses auf der #lbm12: „In Israel, wo jeder kleinste Moment des Lebens so vollgesogen ist mit Politik, da bedeutet Punk sein, radikal unpolitisch zum sein. Wenn ich versuche, dass einer Punkerin in Deutschland zu erklären, treffe ich auf absolutes Unverständnis“ (Eine Rezension der Graphic Novel „Spunk“ – über den Selbstmord eines Emo-Mädchens in der Jüdischen Allgemeinen: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/7061)

41UJsCe-jdL._SY300_Auf Twitter gerinnt unser Leben gerinnt in Sekundenbruchtteil zu Geschichte, jeden Tag kann ich mich dort in den Stream of Consciounsess vieler vieler Menschen auf der Welt einklinken kann,
doch die Anzahl der Menschen, die in ihren Tweets Sprachgenauigkeit und Sprachwitz und einen präzisen Rundblickblick auf das Geschehen, und die Antennen für die Social Signicance ihrer Sprechakte haben scheint noch gering zu sein. Um so dankbarer bin ich für Autoren wie Aboud Saeed.

Um dem Buch einen größeren Kontext zu geben, lese ich parallel dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerkrieg_in_Syrien. Oder zumindest würde ich es gerne, aber neben diesem Text ist einfach kognitiv kein Platz für einen Second Screen. Also schön nacheinander. Fuck Multi-Tasking. Slow Life. YOLO – oder wie mein Yoga-Lehrer immer sagt: Atmen!

„24. Februar 2012 um 21:54
Die Minze in meinem Tee ist wichtiger als das Pokémon auf deiner Unterhose.
24 Likes“ – Auszug aus: Aboud Saeed. „Der klügste Mensch im Facebook.“

Wenn ich in der Presse lese, dass es Schüler gibt, die nach dem Abitur ihre Koffer packen und nach Syrien fliegen, um dort am Bürgerkrieg teilzunehmen (http://www.zeit.de/politik/2013-05/extremismus-dschihad-syrien-schueler-lamya-kaddor), dann stelle ich mir bestürzt die Frage: „Und das einzige, was ich, der sich dessen bewusst wird tue ist, ist vor meinem Laptop zu sitzen und e-Books zu rezensieren?“

Für dieses Dilemma weiß ich nur einen Ausweg, ich flüchte mich aus dem Digitalen ans Papier:

„Wenn es das Absurde gibt, dann nur im Universum des Menschen. Sobald dieser Begriff sich in ein Sprungbrett zur Ewigkeit verwandelt, ist er nicht mehr mit der menschlichen Hellsichtigkeit verbunden. Dann ist das Absurde nicht mehr die Evidenz, die der Mensch feststellt, ohne in sie einzuwilligen. Der Kampf ist dann vermieden. Der Mensch integriert das Absurde und läßt damit sein eigentliches Wesen verschwinden, das Gegensatz, Zerrissenheit und Entzweiung ist. Dieser Sprung ist ein Ausweichen.“ – Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004, S. 50f.

P.S. Wo hab ich dieses großartige Buch eigentlich her? Mein neuer Lieblingsbuchladen (Seit Cory Doctorow ist es ja en vogue am Kapitelanfang jeweils seine Lieblingsbuchhandlungen zu zitieren) ist die schnuckelige e-Book Boutique https://minimore.de

★★★★★ von 5 für Aboud Saeed – Der klügste Mensch auf Facebook

★★★★ von 5 für minimore.de

Gamification of Life – Ein philosophischer Aufreger

Der gestrige Abend brachte zwei interessante Dinge zusammen:

eine Fahrt mit einem StadtRad, dem CallABike-Dienst der Stadt Hamburg und eine Aufführung z. Thema Mythos des Sisyphos in der Reihe Theatralik Philosophieren am Ernst-Deutsch Theater.

Neben vielen Gedanken zum Steine rollen imho auch einige Erkenntnisse zum Thema Gamification of Life:

Nach dem  mich, als Teil einer Generation, für den das Computerspiel eine wesentliche Sozialisationserfahrung darstellt, schon die berufliche Bewerbungen (über div. Online-Plattformen der Arbeitgeber) an die Charaktererstellung in MMORPGs erinnern, macht mir sowohl die Nutzung der StadtRad-App (seit letzter Woche) und meines Smartphone-Twitter Clients (seit zwei Wochen) noch einmal deutlich, wie weit die Qualität des Computerspiels grundlegende Formen meines Lebens bestimmt. In Anlehnung an den digital-literarischen Begriff Gamification, würde ich diesen Umstand als Gamification of Life bezeichnen.

Nun könnte man Kulturverfall wittern und in forsmannsche Empörung verfallen oder aber – auch in Hinblick auf die aktuelle Ettikette-Debatte bzgl. Google Glasses und dem Shift in Googles kategorischen Imperativ – Von „Don“’t be Evil  zu „Don’t be creepy“ kulturschaffend reagieren und zu reflektieren beginnen. In der Selbstbetrachtung (My display is my mirror) kann einem eigentlich nur ein Bild in den Sinn kommen – Der Performance-Künstler und welterster Cyborg Stelarc und seine Aktion „Ping Body“. Das bin ich als vollvernetzter digital geborener Mensch respektive Körper, mein Mikromanagement völlig den digitalen Anreizen hingegeben?

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Aber nachdem Herr Hessel die Empörung zur Lebensmaxime geadelt hat, und es mich zu deutsch es ziemlich anpisst, wie sich durch die Hintertür der Mobilität nun doch eine Fitness-App in meinen digitalen Organismus eingeschlichen hat, (#fuckyou @quantify yourself) noch einmal eine Wendung hin zum Begriff am Anfang des Artikels Gamification of Life oder um es situationistisch zu umschreiben: Homo, es homo ludens.

Und hier wird der große Unterschied der digitalen und der situationistischen Utopie deutlich.

Denn da wo der Situationist, die Stadt als Spielplatz, als psychogeographischer Flaneur quasi im Vorbeigehen die Erfüllung findet, und der Parkour-Läufer in seiner Nachfolge dem Runners High eines realweltigen „Jump and Run“ gewahr wird, findet der unkritische User einer StadtRad-App (oder von Twitter) nur eines – seltsamerweise eine zentrale Kategorie im App-Store: Produktivität.

In diesem Sinne – Keep on procrastinating – I need an extra life:

@sinnundverstand #plattensammlung

Pornophonique – Take me to the Bonuslevel:

http://www.youtube.com/watch?v=ojS_e7URi10